Im Test: MacBook Air 2019 – Ist das der neue Standard-Mac?

Mit dem neuen MacBook Air hat Apple wenig zur Vorgängergeneration geändert. Und das ist gut so. Viel zu lange haben wir uns über ausbleibende, regelmäßige Updates mit dann gerne auch kleineren Sprüngen beklagt. Die eigentliche Frage aber ist, ob das neue MacBook Air der Standard-Mac für die überwiegende Anzahl der potenziellen Käufer sein kann.

Das MacBook Air hat sich in den Jahren nach seiner Präsentation 2008 schnell zu dem Mac schlechthin gemausert. Zugegeben: erst nachdem der Preis mächtig gesunken war und das Gerät mit um die 1.000 Euro zum Einsteigermodell wurde.
Für viele Jahre war das MacBook Air also die richtige Antwort auf die Frage, welchen Mobil-Mac man sich kaufen solle. Denn wer diese Frage stellte, hatte vermutlich deutlich niedrige Anforderungen an sein Arbeitsgerät, als Pro-User.
Dieser Status des MacBook Air geriet erst ins Wanken, als Apple alle, aber auch wirklich alle anderen Geräte mit Retina-Display auslieferte – von der Apple Watch bis zum iMac. Mit der Einführung von Retina-Displays bei den Macs wirkte das MacBook Air auf einen Schlag alt und aus der Zeit gefallen.
Hier hat Apple im vergangenen Jahr gegengesteuert und legt jetzt nach.

Bildschirm

Das 2019er-Modell verfügt nicht nur über ein hochaufgelöstes Display, sondern auch über eins mit Apples True-Tone-Technologie. Dabei nehmen Sensoren im Gerät nicht nur die Intensität des Umgebungslichts wahr, auch die Farbtemperatur wird registriert. Automatisch passt sich der Bildschirm an und liefert ein für die Augen noch angenehmeres Bild. Das Ziel ist, so erklärte Apples es bei der Einführung von „True Tone“ beim iPad, dass sich das Display im Licht verhält wie ein weißes Blatt Papier. Abgesehen davon natürlich, dass es spiegelt.
Und wie beim iPad ist dieses Feature auch auf dem MacBook Air eins, das man eigentlich gar nicht wahrnehmen würde, würde Apple einen bei der Einrichtung nicht mit der Nase darauf stoßen. Man merkt es vor allem, wenn es fehlt. Zum Beispiel, wenn man während eines Gesprächs kurz auf den Bildschirm des Computers eines Kollegen schaut. Hat man sich erst einmal an True-Tone-Displays gewöhnt (was wahnsinnig schnell geht), dann haben alle anderen Bildschirme einen völlig unnatürlichen Blaustich, wohingegen die Inhalte auf dem True-Tone-Display einfach richtig wirken.

Design

Das ist dann auch schon die größte Änderung am neuen MacBook Air. In Sachen Design hat sich nichts getan. Das ist auch nicht schlimm. Irritierend ist lediglich, dass das MacBook Air an seiner dicksten stelle inzwischen einen Hauch dicker als das 13-zöllige MacBook Pro ist. Aber bei 1,48 zu 1,56 Zentimetern wäre sich darüber zu beklagen wahrlich Haarspalterei. (Abgesehen davon ist das MacBook Air dafür an der dünnsten Stelle über einen Zentimeter dünner als das Pro.)
Wie bei allen Geräten der zweiten großen Apple-Phase – und nicht erst seit Einführung der Unibody-Macs – punktet Apple vor allem auch mit der Verarbeitung. Ja, es gibt inzwischen einen ganzen Haufen an Windows-Laptops, bei denen sich die Hersteller vom MacBook Air haben „inspirieren“ lassen und viele von ihnen bieten sogar noch mehr Power. Aber dieses MacBook Air in der Hand zu haben, vermittelt nach wie vor ein besonderes Gefühl.
Auf der linken Gehäuseseite verfügt das MacBook Air über zwei Thunderbolt-3-Anschlüsse, die auch zu sämtlichem USB-C-Equipment kompatibel sind. Auf der rechten befindet sich nach wie vor ein 3,5-Millimeter-Klinkenanschluss.

Tastatur

Dieser Tage kommt man nicht umhin, über das Thema „Tastatur“ bei Macs zu sprechen. Zu sehr hat sich Apple hier über die letzten Jahre in eine Sackgasse manövriert. Nicht nur, dass die flachen Tasten mit kurzem Hub nach wie vor polarisiert (Der Autor dieses Textes befindet sich im Fan-Lager.). Die aktuellen Keyboards haben sich leider auch wieder und wieder als unzuverlässig erwiesen. Nicht nur unter den Mac-Life-Lesern, sondern mittlerweile auch aus Reihen der Redaktion gibt es zahlreiche Berichte von Tasten, die gar nicht mehr, nur noch manchmal oder so gut funktionieren, dass ein einfacher Druck gleich zu mehreren Ausgaben des fraglichen Buchstabens führt.

In den vergangenen Jahren hat Apple schon mehrfach Schadensbegrenzung betrieben und liefert inzwischen so etwas wie die dreineinhalbte Generation der Butterfly-Tastatur aus. Ob diese wirklich weniger anfällig für das Problem ist, oder ob Apple das Problem damit vielleicht sogar behoben hat, wird sich allerdings erst in ein paar Monaten mit einiger Sicherheit sagen lassen. Die Tastatur in diesem, etwa eine Woche alten MacBook Air funktioniert jedenfalls noch.

Auch die aktuellen MacBook-Air-Geräte sind übrigens qualifiziert für Apples Austauschprogramm für defekte Tastaturen. Man weiß nicht, ob Apple diesen Schritt geht, weil man sich selbst nicht sicher ist, ob die Tastaturen jetzt durchhalten, oder ob das eher eine vertrauensbildende Maßnahme ist. „Wir haben das im Griff. Aber wir verstehen, dass ihr uns da gerade nicht so ganz über den Weg traut. Hier ist die verlängerte Garantie für die Tastatur.“

Es gibt aber auch Positives von der Tastatur zu vermelden. Touch ID ist immer noch ein hervorragender Weg, sich bei Geräten zu authentifizieren und am Mac vorerst – dazu später mehr – sicherlich die bessere Alternative als Face ID.
Außerdem verfügt die MacBook-Air-Tastatur weiterhin über physische Funktionstasten und nicht über die Touch Bar, wie jetzt alle MacBook-Pro-Modelle. Auch diese vergleichsweise junge technische Neuerung trennt die Apple-Fans in zwei Lager – und diesmal stehe ich auf der Contra-Seite. In meinem Arbeitsalltag bedeutet sie deutlich mehr Nach- als Vorteile. Gerade, weil ich die Funktionstasten selten benutze. Das bedeutet, dass die Touch Bar sich recht häufig in den Energiesparmodus schaltet, also gar nichts mehr anzeigt. Und dann brauche ich zwei „Tasten“-Drücke, wo vorher einer reichte. Einen nämlich, um die Touch Bar zu aktivieren, und einen weiteren, um die gewünschte Funktion auszulösen.
Dort, wo die Touch Bar mir, als Autor vieler Texte, wirklich helfen könnte, versagt sie indes: grundsätzlich kann die Touch Bar während des Tippens auf der Tastatur Wörter vorschlagen und es wäre ein Leichtes mir anzugewöhnen, gelegentlich mit den Mittelfingern die Touch Bar anzusteuern, um einen der Vorschläge auszuwählen. Anders als auf iPhone und iPad, wo das mit den Vorschlägen gut funktioniert, ist die Touch Bar am Mac mit ihren Vorschlägen allerdings deutlich langsamer, als ich tippe, so dass die Touch Bar mir immer nur ein bis drei Sekunden zu spät „Ha, siehst du? Ich hätte gewusst, was du schreiben wolltest!“ anzeigt.

Benchmarks 

Ich vertrete die Auffassung, dass Benchmarks beim MacBook Air herzlich irrelevant sind. Das Gerät richtet sich an Otto Normalbenutzer, der alles ein bisschen machen möchte, aber eigentlich nicht auf echte Leistung angewiesen ist.
Wer dennoch auf solche Leistungsvergleiche abfährt, findet eine entsprechende Aufarbeitung in dem in den nächsten Tagen auf MacLife.de erscheinenden ausführlichen Testbericht zum neuen MacBook Pro, der hier verlinkt wird.
Einzig spannend sind die Leistungsdaten zum im MacBook Air verbauten Flash-Speicher. Hier gibt es im Internet zahlreiche berichte, dass Apple 2019 ein etwas langsameres Modul als noch 2018 verbaut. Irgendetwas an einem Produkt zu verschlechtern, wird nie gut aufgenommen. Kaufwillige können sich aber entspannen: Ja, in einigen Benchmark-Tools sieht man leicht schlechtere Werte. In der Praxis haben die allerdings keine Auswirkungen. Der Performance-Flaschenhals ist ein ganz anderer: Apple hat es mit diesem Update nicht geschafft, auf neue, leistungsstärkere Prozessoren umzusteigen. Im MacBook Air steckt der uns schon bekannte 1,6-Gigahertz-Dual-Core-Prozessor aus Intels Y-Serie.

Praxistest

In der Praxis macht sich aber auch das nur am Rande bemerkbar. Für gewöhnlich nutze ich ein MacBook Pro aus dem Jahr 2017, so dass die Umstellung auf dieses MacBook Air schon einiges Zähneknirschen mit sich brachte. Denn ich bin es gewohnt, zig Anwendungen parallel laufen zu lassen – auch Speicher- und Powerhungrige wie Slack, iTunes, Fotos oder Google Chrome und Safari mit vielen, vielen Tabs. Und besonders bei monotoneren Aufgaben des Alltags läuft nebenbei, auf einem externen Bildschirm(!) auch noch irgendeine Serie. Damit bringt man das MacBook Air dann doch recht schnell an die Grenze und man begegnet häufiger dem „Bitte warten“-Beachball von macOS.
Verwendet man das MacBook Air jedoch weniger wie ein Power-User und mehr wie jemand, der aus Apples Sicht zur Käufergruppe gehört, passiert das deutlich seltener.

Aber darf man mehr erwarten? Die Maschine, auf der ich sonst arbeite, hat mehr als doppelte von diesem MacBook Air gekostet. Irgendwo muss sich der Preisunterschied ja schließlich bemerkbar machen. Mehr Leistung ist für das Geld bei Apple halt nicht drin und bei dem, was das MacBook Air zu leisten im Stande ist, kann man das nicht bemängeln.

Auf der Habenseite kann das MacBook Air außerdem den Akku vorweisen. Bei, wie oben beschrieben, angemessener Nutzung komme ich fast immer über die 7-Stunden-Marke oder lande nur ganz knapp darunter. Wenn nicht mehr genutzte Applikationen sorgsam geschlossen werden und das Display auch nicht permanent auf höchster Helligkeitsstufe feuert, sind auch rund acht Stunden drin. Wenn ich das MacBook Air treibe, wie mein MacBook Pro von 2017 ist allerdings nach etwa der Hälfte der Zeit Schluss.

Strafend angeschaut gehört Apple nach wie vor für die verbaute Kamera. Das gilt allerdings für praktisch alle Macs. Angenehme FaceTime-Konversationen sind eigentlich nur möglich, wenn man sich zuhause eine Foto- oder Filmstudiobeleuchtung gönnt und weiß, diese auch geschickt zu platzieren. Eine gewöhnliche Deckenbeleuchtung reicht schon bei fortgeschrittener Dämmerung nicht mehr aus, damit die Kamera ein passables Bild anbietet. Das mag im Privaten noch irgendwie in Ordnung sein. Spätestens aber, wenn ich mit Geschäftspartnern per Video konferieren möchte, stecke ich lieber meine zig Jahre alte Logitech-Webcam auf das MacBook Air, um mich nicht für die Bildqualität entschuldigen zu müssen.
Hier schließt sich dann auch der Kreis zu der Face-ID-Frage von weiter oben. Apple bietet in seinen iPhones Kameramodule an, die ohne Frage zu den besten der Industrie gehören. Dass diese bislang nichtmal den Weg in die MacBook-Pro-Modelle gefunden haben, ist äußerst bedauerlich. Dabei könnte Apple mit diesen Modulen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: bessere Bildqualität bei Video-Chats und die Einführung von Face ID am Mac.

Fazit

Schließen wir einen weiteren Kreis und lösen wir die Frage auf, ob dieses MacBook Air das neue Standardgerät ist, das man jedem gefahrlos empfehlen kann? Die Antwort ist nicht so eindeutig, wie ich es mir gewünscht hätte und lautet eigentlich „es kommt darauf an“. Andy Ihnatko, langjähriger, inzwischen aber ehemaliger Tech-Kolumnist bei der Chicago Sun Times und Podcaster sagte einst sinngemäß, dass „es kommt darauf an“ nur eine höfliche Form von „nein“ wäre. Und damit hat er vermutlich Recht.

Aber worauf genau kommt es denn an? Man muss Willens sein, ein paar Kompromisse einzugehen. Wer viele Jahre mit diesem MacBook Air arbeiten möchte, dem werden die standardmäßig verbauten 8 Gigabyte Arbeitsspeicher perspektivisch zu wenig sein. Ebenso die 128 Gigabyte Speicherplatz. Will man beides gegen die nächst größere Variante (16, respektive 256 Gigabyte) austauschen, landet man nicht mehr bei 1.250 Euro, sondern bei 1.740 Euro. Legt man noch einmal rund 250 Euro drauf, bekommt man bereits ein 13-zölliges MacBook Pro in gleicher RAM- und Speicherplatzkonfiguration, das sogar einen Prozessor mit vier Rechenkernen aufweist.

Verstehen Sie mich nicht falsch: das MacBook Air für sich genommen ist ein tolles Gerät. In einer Welt, in der das MacBook Pro existiert, allerdings nur, wenn die Leistungsansprüche – vor allem perspektivisch – nicht die größten sind und wenn entweder Budget oder Investitionswille nicht für mehr reicht.
Und, um Ihnen noch einen völlig anderen Denkanstoß zu bieten: schauen Sie sich im Spiegel doch einmal ganz tief in die Augen und fragen Sie sich, was Sie eigentlich wirklich so mit einem Mac anfangen wollen. Und dann gucken Sie sich das iPad Pro mit 12,9-Zoll-Bildschirm an, das mit aus meiner Sicht zwingend erforderlichen Tastatur-Hülle und 256 Gigabyte Speicherplatz knapp unter 1.500 Euro kostet – 240 Euro weniger als ein ansprechend konfiguriertes MacBook Air.